Phädra, in Flammen

Käännösnäyte suomeksi. Kääntäjä: Essi Syrén (pdf)

Nino Haratischwili
Phädra, in Flammen
 

1

Gamelion nach dem attischen Kalender. Vollmond. Im Palast. Die Schatten flüstern mit den unermüdlichen Winden und stechen mit spitzen Nadeln in die eitrigen Sehnsüchte der Palastbewohner. Das Ungesagte und Unsagbare führt zu salzigen Augen und wunder Haut.

PHÄDRA Ich bin es leid, werde ich ihm sagen, ich bin es so leid. Und es ist mein Recht, mich selbst zurückzufordern. Es ist mein Recht als Königin und als Frau, werde ich ihm sagen. Dieses Ich, das du dir vor zwanzig Jahren angeeignet hast, und von dem ich dachte, es dir auf dem Altar meiner Liebe opfern zu müssen, du hast es dir genommen, so selbstverständlich wie einen Korb voller Früchte, wie das Präludium zum Opferfest. Dabei war ich nicht einmal das eigentliche Opferlamm, das es zu verzehren galt. Ich war einfach schönes Beiwerk, ein Schmuckstück, aber nichts Richtiges, nichts Ganzes.
Ich will in den Uterus meines Lebens zurück, in diesen paradiesischen Zustand des Nicht-Müssens, der einst meine Jugend gewesen ist, in der Zeit vor dir. Ja, das werde ich ihm sagen. Denn alle ungesagten Worte und alle zu Boden gerichteten Blicke bedeuten keinen Frieden. Sie sind nur ein Vorhang, den man vor etwas zieht, aber das, was man zu verhüllen sucht, bleibt und pocht. Nichts verschwindet. Und ich bin es leid.
Bin ich denn 20 Jahre lang nicht gut genug darin gewesen, all meine Sehnsüchte zu amputieren, all meine unruhigen Gedanken mit Kissen zu ersticken, nachts, in den schweißbenetzten, schlaflosen Stunden? War ich nicht gut genug im So-tun-als-ob, im Lächeln, obwohl mir speiübel war, im MichErgeben, während in mir der Krieg wütete, im Erdulden und Wegsehen? Habe ich nicht jeden meiner Vorwürfe hinuntergewürgt, jeden fremden Geruch von Erektionshilfen auf deiner Haut mit den köstlichsten Lavendelsalben getilgt, Nacht für Nacht? Habe ich die göttliche Bestimmung, von der du neuerdings so gerne sprichst, nicht hingebungsvoll genug erfüllt? Dass ich nicht lache, werde ich ihm ins Gesicht schreien. Die göttliche Bestimmung!
Du hättest mich niemals zur Frau nehmen dürfen, mich, deinen Trostpreis. Dabei hätte ich es wissen müssen. Meine arme Schwester, meine Ariadne, wie gerne würde ich dich an die Hand nehmen und zurückkehren in die Gärten unserer Kindheit auf Kreta. Ich würde ein neues Leben weben, für dich und mich, so wie wir einst die festlichen Gewänder gewebt haben für dein großes Fest, deine Frauwerdung. Hätten wir es doch bloß besser gewusst, damals, wären wir für immer 13, 14 geblieben, wir hätten das Blut zwischen unseren Beinen so lange beschworen, bis es versiegt wäre. Aber nicht einmal sie, Ariadne, die dir den Arsch gerettet hat, die dich zu dem Mann gemacht hat, der du heute bist, den großen Sieger, den Minotaurustöter, womit jede deiner Schandtaten, jede deiner Entgleisungen gerechtfertigt wird, nicht einmal sie, die unseren Vater hintergangen und dir geholfen hat, ja, nicht einmal sie hast du lieben können. Schwups, warst du wieder der wilde Hengst und hast dir diese Nutte Aigle angelacht … und hast sogar noch aus dieser beschämenden Situation einen wunderbaren Ausweg gefunden, indem du den Bruch deines Treueschwurs zu Lasten meiner Schwester ausgelegt hast: „Oh, der arme Theseus kann die schöne Ariadne nicht zur Frau nehmen, o weh, ist sie doch bestimmt, die Braut des Dionysos zu werden …“
Ariadne eine Tempeldienerin, das ist einfach der schlechteste Witz aller Zeiten! Ariadne, die mir schon mit 13 erzählt hat, dass sie auf nichts so neugierig sei, wie auf das Gefühl, einen Schwanz zwischen ihren Beinen zu spüren. Jeder hat gewusst, dass sie nur deshalb in den Tempel musste, weil sie, die Königstochter, die Schande des Verlassenwerdens nicht einfach von sich hätte abschütteln können wie den Staub vom Vorjahr. Das wusste Vater nur zu gut. Aber warum hat er seine Jüngere nicht ebenso vor der Schande bewahrt, wie seine Erstgeborene? Warum hat er mich an dich ausgehändigt wie ein falsch adressiertes Geschenk, obwohl er doch wusste, dass du deinen Schwanz nicht in der Hose behalten kannst, obwohl du bereits seine älteste Tochter hintergangen und im Stich gelassen hattest?! Mein ganzes falsches Leben nur, weil mein Vater sein Gesicht hat wahren wollen, und weil du nicht die Eier besessen hast, ihm zu sagen, dass du allein deswegen nach Kreta gekommen warst, um deine Macht zu festigen, und dass dich seine Töchter in Wirklichkeit einen Scheiß interessiert haben.
All das werde ich ihm sagen. Denn ich habe es so satt, mit steifem Nacken herumzulaufen, bloß weil ich unentwegt zurückschaue, auf der Suche nach diesem bestimmten Moment, in dem ich mich aus diesem göttlichen Plan hätte herauswinden können. Doch jetzt, wo die Kinder keine mehr sind, wo ich meine schützende Hand von ihren Häuptern nehmen darf, da kann ich doch all das zurückverlangen, oder nicht? Meine nicht zu Ende geträumten Träume, meinen Geruch, nur meinen, in den sich keine billigen Düfte deiner Huren mehr mischen, meine Handlungen, nicht mehr bestimmt durch die Rücksicht auf dich, meine Schritte ohne den Nachhall der deinen – all das zurückfordern. Jetzt, wo du auf dem Gipfel deines Könnens und deines Angebetetwerdens angekommen bist, wo dir ganz Attica zu Füßen liegt, wo du mich nicht mehr als Vermittlerin brauchst, als deine Lippenleserin. Denn nun, wo jedes Kind deine Heldentaten als schöne Verse wiedergeben kann, hat auch das Volk es gelernt, deine Wünsche zu erraten, noch ehe du sie ausgesprochen hast. Da kann ich doch all das zurückhaben, alles Ungebrauchte und Ungelebte in mir? Alles, was mich in meinen Kokon zurückfinden lässt, aus dem ich dann neu schlüpfen kann? Wenigstens mein Lebensabend sollte mir gehören, mir und niemand sonst. Und lass diese blöden Trostversuche, werde ich ihm sagen, diese kleinen Häppchen, mit denen du glaubst mich ruhigstellen zu müssen, diesen Sermon vom glücklichen Lebensabend auf Delos … Du kannst von mir aus das ganze Land diesen Mythos glauben lassen, aber ich weiß nur zu gut, dass du niemals abdanken wirst.
Ist unser Bund nicht längst eine ferne Legende? Ein Märchen aus alter Zeit?
Dann lass uns wenigstens nicht länger heucheln, lass uns einander ein Stück Freiheit schenken. Nein, nein, keine Sorge, werde ich ihm sagen, ich bleibe an deiner Seite, ich tue weiter alles, damit du dein Gesicht wahren kannst, dein Ansehen mehren, deine königliche Potenz stärken. Aber hinter diesen Palastmauern, in diesen majestätischen Gärten, verborgen vor aller Augen – da will ich wieder ich sein. Die werden, die ich vielleicht geworden wäre, wärst du mir nicht dazwischengekommen, du und meine verschwenderische, verjährte Liebe.
Das werde ich dir sagen. Und dass du dir deine ehelichen Pflichten sonst wohin schieben kannst. Diese obligatorischen, nächtlichen Besuche bei Vollmond widern mich sowas von an.

Theseus tritt ein.

THESEUS Meine Schöne!


***

Lue koko katkelma näytelmän alusta saksaksi